Schönwalde-Glien: Bodo Oehme lud zum agrarpolitischen Frühstück in Schönwalde!
Viele Familien ziehen aus der Großstadt Berlin aufs Land – in den Speckgürtel. In Falkensee, Schönwalde-Glien, Brieselang oder Dallgow-Döberitz finden sie eine neue Heimat. Wichtig ist aber auch: Zu dieser neuen Heimat gehört die Landwirtschaft zwingend mit dazu, denn in der Nachbarschaft finden sich viele Landwirte, die Tiere halten oder die ihre Saat auf den Feldern ausbringen.
Um mehr über die Sorgen und Pläne der Landwirte zu erfahren, lud Bodo Oehme als Bürgermeister von Schönwalde-Glien am 6. September 2017 zu einem „Agrarpolitischen Frühstück“ ein.
Das fand auf dem Landgut Schönwalde von Dr. Inge Schwenger statt – und zwar mitten im Pferdestall. Auf rustikalen Holztischen war ein üppiges Frühstück vorbereitet – für etwa 20 geladene Personen.
Neben Bürgermeister Bodo Oehme und Gastgeberin Dr. Inge Schwenger waren der Bundestagsabgeordnete Uwe Feiler und der Umweltpolitische Sprecher der brandenburgischen CDU-Landtagsfraktion Dieter Dombrowski anwesend. Letzterer fungiert auch als Landtagsvizepräsident.
Von Seiten der Landwirte waren u.a. der bekannte Schafzüchter Olaf Kolecki, Dirk Peters von der Agro Farm Nauen als Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Havelland sowie Johannes Funke als Geschäftsführer eben dieses Verbandes mit beim Frühstück dabei.
Gleich zu Beginn des Gesprächs wies Johannes Funke auf die Situation der Milchbauern hin. Viele Milchbetriebe hätten in der Milchpreiskrise ihre Betriebe aufgeben müssen, weil es für sie nicht mehr möglich gewesen ist, wirtschaftlich zu arbeiten. In der Folge fehlen die Kühe, um die 30.000 Hektar Grünland in Brandenburg angemessen zu bewirtschaften.
Funke: „In diesem Zusammenhang wird die Pferdehaltung in der Region immer wichtiger. Das geht aber nicht ohne Fördermittel. Oft sind auch die Bauauflagen so hart, dass sich viele Betriebe zweimal überlegen, ob sie in Stallanlagen investieren.“
Diese Rechnung wurde aufgemacht: Bei 20 Pferden müsse bereits eine fünfstellige Summe für die Installation einer Dungplatte aufgewendet werden. Dabei würde die Pferdehaltung bereits als ein Garant für die Aufrechterhaltung landwirtschaftlicher Betriebe gehandelt werden.
Schnell ging es auch um das Nitrat, das durch die Düngung in der Landwirtschaft ins Grundwasser gelangt. Ein einzelner Spitzenwert bei der Analyse eines Brunnens in Brandenburg wäre, so wurde informiert, nur aufgrund der falschen Lagerung von Düngemitteln zustande gekommen – ein Ausreißer, der bitte nicht für eine pauschale Verurteilung herangezogen werden solle. Zumal Werte in dem Brunnen gemessen wurden, die durch eine Flächendüngung niemals hätten erreicht werden können. Und überhaupt, so hieß es, wäre die Nitratbelastung in anderen Bundesländern viel schlimmer. In Nordrhein-Westfalen sei sie bereits so hoch, dass manche Brunnen nicht einmal mehr für das Tränken der Tiere genutzt werden dürfen. Dieter Dombrowski sagte: „Brandenburg ist nicht das Problemland in Deutschland, wenn es um das Nitrat geht, das ist eher Niedersachsen. Wir haben in Brandenburg nur ganz wenige Messstellen, an denen das Nitrat erhöht ist.“
Passend zum Nitrat hatte Dr. Inge Schwenger vom Landgut Schönwalde eine wichtige Einwendung: „Nitrat ist nicht gleich Nitrat. Was ins Grundwasser gelangt, konnte vom Boden nicht aufgenommen werden. Frischer Dung, der auf die Äcker kommt, ist nicht zu vergleichen mit Dung, der zwei Monate gelagert wurde und der in dieser Zeit ‚gearbeitet‘ hat. Hier gibt es kaum noch freies Nitrat und demnach auch kaum Emissionsprobleme.“
Der Stickstoff, der im Kompost gebunden ist, würde nämlich nicht ausgewaschen werden, sondern dem Ackerboden langfristig zur Verfügung stehen. Die Verfechterin der regenerativen Landwirtschaft verwies in diesem Zusammenhang auch auf ihre eigene Erfindung „Hippodung“.
Hippodung ist eine alternative Einstreu für den Pferdestall, die dank eines Katalysators Fäulnisbakterien fernhält und für eine sofortige Kompostierung noch im Pferdestall sorgt. Das Substrat kann schier ewig im Pferdestall verbleiben – in den 26 Boxen auf dem Landgut Schönwalde liegt der Boden nun schon seit 5,5 Jahren. So spart die Einstreu das regelmäßige Ausmisten, nur die Äpfel müssen eingesammelt werden. Außerdem stinkt es im Stall nun nicht mehr. Schwenger: „Man merkt es beim Frühstück. Hier im Stall gibt es weniger Fliegen als drüben bei uns im Restaurant. Es riecht auch überhaupt nicht nach Stall.“
Durch das Verzichten auf Stroh, das schnell faulig wird, könnte die Kompostierung deutlich verkürzt werden – von zwei Jahren auf etwa drei Monate: „Dann haben wir schon Humuswerte. Dung ist demnach ein Rohstoff, der ein biologischer Volldünger sein könnte. Inzwischen stehen in Deutschland schon 2.000 Pferde auf unserer Einstreu. Die Tendenz zeigt steil nach oben. Unser biologisches Substrat ist auch sonst gut für die Tiere. Pferde werden durch die Faulgase ansonsten schnell lungenkrank.“
Dr. Inge Schwenger wies auch darauf hin, dass Nitrat im Boden nicht das einzige Problem der Landwirtschaft sei: „Die Emissionen in der Luft werden immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Schon jetzt sind die Ausgasungen aus den Tierställen schlimmer als das Treibhausgas CO2. Wir brauchen neue Verfahren, damit das Nitrat aus dem Boden nicht ins Grundwasser gelangt und damit die Emissionen begrenzt bleiben.“
Die Landwirte ärgerten sich im Verlauf des Frühstücks auch sehr darüber, dass Hundebesitzer ihre Vierbeiner auf Wiesen lassen, deren Pflanzen später als Tiernahrung etwa für die Pferde dienen sollen. Der Hundekot würde die Heuernte immer wieder unnötig verschmutzen. Klarer Tenor der Landwirte: „Warum sollen wir unsere Wiesen einzäunen und Verbotsschilder aufstellen, wenn die Gesetzeslage doch eh schon klar auf unserer Seite ist. Für das Gassigehen mit den Hunden gibt es Hundeauslaufgebiete oder den eigenen Garten.“
Bodo Oehme: „Freilaufende Hunde sorgen übrigens auch dafür, dass wir das Rebhuhn und den Fasan schon lange nicht mehr in Schönwalde antreffen können. Unsere Jäger melden uns das immer wieder.“
Das Fachgebiet vom Schönwalder Bürgermeister – die Gräben zur Entwässerung des Geländes: „Wir hatten es in diesem Jahr mit hohen Niederschlagsmengen und mit starkem Schichtenwasser zu tun. Unsere Gräben sind Funktionsgewässer. Der gute Zustand unserer Gräben hat zum Glück dafür gesorgt, dass Schönwalde-Glien bis auf zwei, drei nasse Straßenzüge trocken geblieben ist.“
Das war nicht überall so. Es wurde allgemein gewünscht, dass die Gräben schon vor dem Sommer gekrautet werden, damit die bei höheren Temperaturen aufschießenden Pflanzen nicht die Abfließgeschwindigkeit der Gräben mindern würden – genau in der Jahreszeit, in der es zu Starkregen kommen kann. Da viele Schöpfwerke in diesem Sommer auch im Notbetrieb gelaufen sind, stünde das Wasser in den Gräben viel zu hoch – was wiederum dazu führt, dass die benachbarten Felder unnötig unter Wasser stehen.
Dirk Peters wies darauf hin, dass manche Felder in der Region noch immer so nass sind, dass die Bauern sie nicht befahren können. Im Osthavelland seien etliche Flächen total geschädigt, da stehe auch die diesjährige Maisernte noch in den Sternen. Die ersten Landwirte würden bereits überlegen, einen Teil der Tiere abzuschaffen, weil sie zu wenig Futter von den Feldern holen können. Peters: „Wir haben jetzt eine Futterbörse eingerichtet, um uns gegenseitig zu helfen.“
Die Landwirte waren auch der Meinung, dass die Schöpfwerke zur Entwässerung der Gräben marode sind und dringend saniert werden müssen. Das sieht auch Dieter Dombrowski so: „Die Gräben müssen einsatzbereit sein wie die Feuerwehr. Die Schöpfwerke müssen funktionieren.“
Auch der Biber war Thema. Dirk Peters: „Unserer Meinung nach hat der Biber nichts in künstlich angelegten Gewässern verloren.“
Die wirtschaftliche Situation vieler Betriebe sieht Dirk Peters kritisch: „Ich kenne keinen ostdeutschen Betrieb, der ohne die EU-Flächenprämien überleben würde.“ Dabei handelt es sich um Gelder, die bei der Erfüllung vielfältiger Auflagen je Hektar landwirtschaftlicher Fläche ausbezahlt werden.
Und er fragte bei der Politik nach: „Handelt es sich bei der Diskussion um den Diesel eigentlich um eine Sommerloch-Geschichte? Ohne Dieselfahrzeuge kann die Landwirtschaft nicht überleben.“
Hier winkte Uwe Pfeiler (Bundestagsabgeordneter der CDU) gleich ab: „Den Diesel wird es noch Jahrzehnte geben. Auch die gesamte Schifffahrt kommt nicht ohne den Diesel aus.“
Bürgermeister Bodo Oehme sieht trotz aller Probleme eine gelungene Symbiose auf das Havelland zukommen: „Wir haben immer mehr Zuzug aus Berlin: Viele Familien ziehen in den ländlichen Bereich. Ich sage: Die Landwirtschaft wird zunehmend zum Erholungsschlager.“ (Text/Fotos: CS)
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