Falkensee: Zu Besuch im EGAL
Vor dem vom Abriss bedrohten Haus in der Bahnhofstraße 80 ist wieder ordentlich etwas los. Während auf der rechten Seite weiterhin die „B80“ zu finden ist, ist auf der linken Seite der selbstverwaltete Jugendtreff EGAL eingezogen. Solange das Haus noch steht, dürfen sich hier die Jugendlichen aus Falkensee und Umgebung aufhalten, um Zeit miteinander zu verbringen, um Musik zu machen oder um ihnen wichtige Projekte zu besprechen.
Stefan Woge (21): „Die Räume, in denen vorher noch die ‚Kleine Galerie auf Zeit‘ zu finden war, werden uns von der Lokalen Agenda 21 zur Verfügung gestellt. Für ein Café oder eine Bar erfüllen wir nicht die Voraussetzungen. Da uns Standards eh egal sind, haben wir uns eben EGAL genannt.“
Carlotta Heiter (18): „Wir haben uns extra nicht einer lokalen Institution wie etwa dem ‚Saftladen‘ angeschlossen, weil wir selbstorganisiert einen Jugendtreff auf die Beine stellen wollen. Dabei möchten wir unabhängig von Erwachsenen und Vereinen sein. Die eigentliche Idee stammt aus dem Jugendforum und ist schon älter. Dass es jetzt mit den eigenen Räumen geklappt hat, freut uns sehr. Wir dachten schon, das wird nichts mehr. Am 4. Mai haben wir Eröffnung gefeiert – mit über 100 Leuten.“
In den EGAL-Räumen ist immer etwas los. Jeder hat von Zuhause oder vom Sperrmüll das eine oder andere Möbelstück mitgebracht, um ein gemütliches Ambiente zu schaffen. Sogar ein Kicker steht bereit. Carlotta Heiter, die wie Stefan aus Falkensee stammt: „Dank Leihgaben der Eltern haben wir sogar ein Klavier und einen Beamer.“
Stefan Woge freut sich über den Zuspruch der Jugendlichen vor Ort: „Im Team haben wir jetzt um die 20 Leute. Aus denen rekrutieren sich die ‚Teamer‘, die die einzelnen Schichten im EGAL besetzen. Am Wochenende sind natürlich die meisten Besucher vor Ort. Ich finde persönlich toll, dass wir so viele Altersschichten ansprechen. Zwischen 16 und 30 Jahre alt sind unsere Besucher. Und während ich früher immer das Gefühl hatte, dass die Schulen Cliquen-technisch eher unter sich bleiben, so spielt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule im EGAL keine Rolle.“
Dass die „B80“ gleich nebenan zu finden ist, finden die Jugendlichen gut. Carlotta Heiter: „So können wir die Flüchtlinge gleich einbinden und sie kennenlernen.“
Für viele Falkenseer ist es eine echte Überraschung, den eigenen Nachwuchs direkt in der Bahnhofstraße zu erleben. Sonst ist es ja oft so, dass die Teens und Twens lieber mit der Bahn nach Berlin hineinfahren, um einen Club zu besuchen oder in einem Café zu sitzen. Stefan Woge: „Dass so viele Jugendliche sich nun im EGAL treffen, liegt daran, dass das EGAL ganz nah am Wohnort dran ist, wirklich jeder kommen darf und niemand Berührungsängste hat. Der Erfolg vom EGAL zeigt sehr deutlich, wie dringend so ein selbstverwalteter Jugendtreffpunkt bislang in Falkensee gefehlt hat.“
Aus dem Treffpunkt entwickelt sich viel Gutes. Das „Netzwerk Fahrradfreundliches Falkensee“ hat sich hier am 21. Juni gegründet, um über die aktuelle Verkehrssituation, speziell für den unmotorisierten Verkehr, in Falkensee zu diskutieren. Lennart Meyer: „Es wurde über Probleme, Ärgernisse, alternative Ideen und Zukunftsvorstellungen gesprochen. Daraus haben sich einige interessante Projekte entwickelt, die nun angegangen werden.“
Stefan Woge: „Es hat sich aber auch eine Arbeitsgruppe gefunden, die im Rahmen von Urban Gardening einen Stadtgarten für alle anlegen möchte. Eine andere Gruppe möchte den Gutspark aufräumen und so aufwerten, dass man ihn abends wieder sicher durchfahren kann. Hier wird nicht nur diskutiert, hier wird auch gemacht.“
Carlotta Heiter: „Toll war unsere Kleidertauschparty, die wir nun regelmäßig wiederholen möchten. Das ist eine Idee aus Berlin. Jeder bringt die Klamotten mit, die er oder sie nicht mehr gern trägt. Und dann sucht man sich aus dem Kleidungsberg eben neue Stücke aus, die man umso lieber mit nach Hause nimmt.“
Kicken, Quatschen, Trinken, Musik machen, Projekte aushecken – das klingt gut. Aber, so Stefan Woge: „Unsere Zeit hier ist endlich. Wenn das Haus abgerissen wird, brauchen wir dringend neue Räume. Wir würden gern weitermachen.“ (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel wurde in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 149 (8/2018) veröffentlicht.
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