Die Präventionsseiten der Polizei: Folge 1 – Unsere Senioren im Visier
Immer häufiger stehen Senioren im Visier von Gaunern, Betrügern und Verbrechern. Mit ihren Tricks ergaunern sich diese leicht ein Vermögen. Polizeihauptkommissar Karsten Hirsch kennt die Maschen der Täter. Als Koordinator des Sachgebiets Prävention tritt er an, um Aufklärung zu leisten. Karsten Hirsch: „Ziel ist es, dass alle Senioren informiert sind und die kriminellen Täter zukünftig keine Chance mehr haben, an ihre Lebensersparnisse zu gelangen“.
Gerade erst wurde in den Medien bekannt, dass in Kooperation des Bundeskriminalamts (BKA) und der türkischen Polizei die Handschellen klickten. Perfekt Deutsch sprechende Gauner hatten deutsche Senioren aus einem türkischen Call-Center heraus angerufen und ihnen am Telefon vorgegaukelt, Mitarbeiter der Polizei zu sein. Dank eines technischen Kniffs namens „Spoofing“ stand bei den angerufenen Personen sogar die bekannte Polizeinummer 110 auf dem Display der Telefone.
Die angeblichen Polizisten täuschten den Senioren vor, dass sie auf der Liste einer observierten Einbrecherbande stehen würden und dass sie demnächst mit einem „Besuch“ dieser Einbrecher zu rechnen hätten. Um einen Diebstahl ihrer Wertgegenstände zu verhindern, würde aber gleich ein Kollege von der Polizei vorbeikommen, um das ganze Bargeld und den Schmuck entgegenzunehmen und „in Sicherheit“ zu bringen. Aufgrund der angeblichen verdeckten Ermittlungen wurden die Senioren sogar darum gebeten, gegenüber der Familie und außenstehenden Personen Stillschweigen zu bewahren, da sie ansonsten die gesamte Polizeioperation gefährden würden. Natürlich waren die Besitztümer, die den angeblichen Polizisten an der Tür anvertraut wurden, für immer verloren.
Eine solche Bande wurde nun nach langen Ermittlungen und dank der Hilfe der türkischen Polizei am Bosporus gemeinsam mit dem BKA festgenommen. Aber es gibt noch unzählige weitere Gaunerteams, die nach exakt dem gleichen oder einem abgewandelten Muster vorgehen.
Viele Senioren fallen auf diese und andere Tricks der Gauner herein, weil sie noch ein sehr großes Vertrauen in Amtspersonen haben und diesen ohne Wenn und Aber Glauben schenken. Dieses Grundvertrauen wird von den Tätern schamlos ausgenutzt. Und dank moderner Kommunikationstechnik wird der Ursprung der Anrufe so verschleiert, dass den Senioren keine Chance bleibt, die Irreführung zu erkennen. So werden sie leicht zum Opfer eines Betruges.
Karsten Hirsch: „Wenn Senioren einen zweifelhaften Anruf von der Polizei erhalten, sollten sie das Gespräch sofort beenden, um dann die richtige Polizei über die Nummer 110 anzurufen. Zuvor muss der Senior aber aktiv das Telefonat selber beendet haben (z.B. rote Taste drücken oder den Hörer auf die Gabel legen, da es heute technisch möglich ist, das Beenden des Gesprächs von der Täterseite her zu simulieren). Erst durch das Anwählen der Nummer 110 wird sichergestellt, dass die echte Polizei in der Leitung ist. Hier können sie den Vorfall melden. Das eigene Bauchgefühl ist in der Regel sehr gut, man sollte ihm unbedingt vertrauen. Generell gilt: Kein Polizist fragt an der Tür oder am Telefon nach Wertsachen oder Bargeldbeständen. Erst recht bittet ein Polizeibeamter nicht um die Herausgabe der Wertsachen.“
So funktioniert der Enkeltrick
Der Tätertrick mit dem gefälschten Anruf der Polizei und dem angeblichen Polizisten an der Tür wird mit dem immer noch funktionierenden „Enkeltrick“ auf die Spitze getrieben.
Karsten Hirsch: „Der Anrufer gibt am Telefon vor, der eigene Enkel in Not zu sein. Der akute Notfall wird immer wieder anders beschrieben. Mal geht es z.B. um drängende Schulden, mal um einen Unfall, mal um ganz schnell fällig werdende Kosten in einem Gerichtsverfahren. Oft bitten die vermeintlichen Enkel gleich um mehrere tausend Euro, die die Großeltern ganz schnell bereithalten oder von der Bank abheben sollen. Nach einer gewissen Zeit erfolgt ein weiterer Anruf. Der vorgebliche Enkel schafft es leider nicht persönlich zu erscheinen, um das Geld anzunehmen. Ein verlässlicher Freund würde aber das Geld rasch holen kommen. Bevor die Senioren in ihrem Schreckzustand argwöhnisch werden, sind die Gauner auch schon mit dem Geld über alle Berge. Wir raten dazu, ein solches Gespräch sofort zu beenden (bitte denken Sie daran, selbst aktiv aufzulegen!) und die bekannte Telefonnummer der echten Enkel zurückzurufen – bitte nicht die Rückruftaste benutzen!“
Der Trick mit der Sorge um die eigene Familie wird immer weiter modifiziert. Karsten Hirsch: „So gab es zuletzt den Fall, dass ein angeblicher Polizeibeamter bei einem Seniorenehepaar anrief und mitteilte, die Tochter hätte einen schweren Verkehrsunfall gehabt und sie sollten so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren. Allerdings hätte man die Handtasche der Tochter nicht finden können, sie sei vermutlich gestohlen worden. War die Tochter denn im Besitz der Schlüssel zur elterlichen Wohnung? Ist dem so, dann würde ein Polizist vorbeikommen und in der Abwesenheit der Eltern auf die Wohnung aufpassen, um den Dieb zu stellen. Die Senioren sind in dieser Situation aufgeregt, hilflos und glauben dem angeblichen Polizisten. Während sie ins Krankenhaus fahren, könnte ihre Wohnung so in aller Ruhe nach Bargeld und Schmuck durchsucht werden.“
Die Ganoven werden auch technisch immer versierter. Wird eine angerufene Person misstrauisch, können die Täter am Telefon so tun, als würden sie von ihrer Seite aus auflegen. Versucht dann der Senior, die Polizei anzurufen, so sind die Täter weiterhin in der Leitung, nehmen den neuen Anruf entgegen und melden sich als mutmaßlich „echte“ Polizisten. Der Vorfall wird dann noch einmal bestätigt, um den Argwohn ihrer Opfer zu beschwichtigen. Nur ein richtiges Auflegen des Hörers schützt vor dieser technischen Masche.
Karsten Hirsch rät: „Lassen Sie sich keine Telefonnummer von einer vermeintlichen Amtsperson für einen Rückruf geben. Notfalls suchen Sie sich selbst die Telefonnummer Ihrer zuständigen Polizeidienststelle heraus.“
Das Dunkelfeld bei Telefonbetrügereien ist groß. Karsten Hirsch: „Häufig werden uns die Taten erst durch Familienangehörige oder über aufmerksame Bankangestellte bekannt. Die betrogenen Senioren schweigen aus Scham oder sind so enttäuscht, dass sie auf den Betrug hereingefallen sind, dass sie sich weder der Familie noch Freunden oder der Polizei anvertrauen. Teilweise nehmen sie sogar einen Kredit auf, um die fehlende Summe nach außen zu vertuschen.“
Kann ich bitte ein Glas Wasser haben?
Auch klassische Betrugsmaschen funktionieren bei vielen Senioren leider noch immer sehr gut.
Polizeihauptkommissar Karsten Hirsch: „Da klingelt jemand an der Tür und muss dringend auf die Toilette, braucht ein Pflaster, möchte einmal telefonieren, bittet um ein Glas Wasser für ein Medikament oder hat ein schreiendes Kind dabei, das sich nicht beruhigen möchte. Während die Person in die Wohnung geführt wird, schleicht sich ein Komplize durch die nicht vollständig zugezogene Tür und sucht unbemerkt nach Wertsachen. Eins muss man wirklich sagen: Die Betrüger kennen jedes Versteck und finden auch die versteckten Ersparnisse im Tiefkühler. Schmuck und Bargeld spüren die Ganoven sehr schnell auf.“
Die Polizei rät dazu, in die Eingangstür einen Weitwinkel-Spion mit mindestens 180 Grad einzubauen. Damit sind auch vor der Tür hockende oder an der Wand stehende Personen sichtbar. Ein Zusatzschloss mit Sperrbügel erlaubt es außerdem, die Tür zu öffnen, ohne einer Person sofort die Möglichkeit zum Eindringen zu geben.
Karsten Hirsch: „Generell muss man sich bei solchen Hilfegesuchen immer fragen: Warum sollten Fremde an der eigenen Haustür klingeln, vor allem dann, wenn sie vielleicht im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses liegt? Warum nehmen die Fremden nicht ein Handy, um sich selbst Hilfe zu holen? Ich sage den Senioren immer: Haben Sie den Mut dazu, auch einmal unhöflich zu sein! Sprechen Sie mit Fremden durch die geschlossene Tür. Schicken Sie sie weg. Beenden Sie ein begonnenes Gespräch. Ganz wichtig: Sollten Sie doch ein Glas oder einen Stift durch den Türspalt reichen: Geben Sie dem Täter keine Angriffsfläche – bitte strecken Sie Ihren Arm nie durch den Türspalt!“
Vorsicht vor unechten Gewinnspielen
Es ist so schön, wenn man bei einem Preisausschreiben etwas gewinnt. Ganz anders aber liegt der Fall, wenn man etwas gewinnt – bei einem Gewinnspiel, an dem man gar nicht teilgenommen hat!
Karsten Hirsch: „Bei diesem Trick meldet sich jemand am Telefon und sagt, man habe z.B. ein Auto gewonnen. Um es nach Deutschland zu bringen, sind aber Überführungskosten fällig. Wer hier in Erwartung des hohen Gewinns zahlt, wird mit immer neuen Forderungen zur Kasse gebeten. In der Hoffnung, die bereits entrichtete Summe nicht zu verlieren, bezahlen die Opfer sukzessive hohe Beträge. Das Geld soll in der Regel auf ausländische Konten überwiesen, via MoneyGram verschickt oder in Form von Paysafe-Codes, Stream- oder Gutscheinkarten etc. übergeben werden. Damit ist es weg – und kann selten zurückgeholt werden.“
Bei diesen dubiosen Gewinnspielanrufen sollten Senioren am besten sofort auflegen und sich in keine Diskussionen verstricken lassen. Vor allem sollten sie keine persönlichen Informationen wie den Namen oder die Adresse etc. bekannt geben.
Karsten Hirsch: „Da wird mitunter richtig Druck bei den Opfern aufgebaut. Plötzlich bekommen die Betroffenen per Post Zahlungsaufforderungen von angeblichen Anwälten oder Inkassobüros. Diese Schreiben sind allesamt gefälscht, was man häufig an der fehlerhaften Rechtschreibung erkennen kann. Leider werden diese Forderungen oft aus Angst bezahlt und nicht zur Anzeige gebracht. Es lohnt sich in solchen Fällen immer, die Vorkommnisse der Familie mitzuteilen und die Polizei zu informieren.“ (Text/Fotos: CS)
Das Sachgebiet Prävention der Polizeiinspektion Havelland ist in der Schützenstraße 13, 14641 Nauen, Tel. 03321-400-1088 erreichbar. Nähere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite www.polizei-beratung.de. Anzeigen, Hinweise sowie Meldungen etc. können auch unter www.polizei.brandenburg.de online abgegeben werden.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Wunsch nach einem sicheren Leben ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. Ich bin davon überzeugt, dass sich Prävention auf Dauer für die Gemeinschaft auszahlt.
Als Leiter der Polizeiinspektion Havelland freue ich mich sehr über die Chance, die verschiedenen Tätigkeitsfelder unserer polizeipräventiven Maßnahmen im Rahmen einer neuen Artikelserie in „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ umfassend darzustellen.
Die Berichte in dieser Ausgabe und in den folgenden Magazinen sollen Sie informieren und so zur Erhöhung Ihrer Sicherheit beitragen.
Lutz Gündel, Polizeidirektor, Leiter der Polizeiinspektion Havelland
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 156 (3/2019).
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