Die „Sugar Beats“ aus Grünefeld
Gegen alle Widrigkeiten des restriktiven DDR-Regimes haben fünf Freunde aus Schönwalde-Grünefeld bereits vor Jahrzehnten Musik gemacht. 1963 gründeten Hatty, Sonny, Dieter, Swatzy und Fritze aus dem Havelland ihre Band „Sugar Beats“. Die Band spielte damals schon einen englischen Beat, was zwar sämtlichen Partygästen der Region zusagte, dafür aber den staatlichen Kulturwächtern ganz und gar nicht gut gefiel.
Mit Witz, Mut und immer einem guten Song auf den Lippen umschiffte die lokale Band aber munter so manches Auftrittsverbot. Nun, 56 Jahre später, gibt es die Band tatsächlich noch immer. Oder schon wieder, wie man korrekt sagen müsste, da sich die Musiktruppe in der Wendezeit einmal kurz aufgelöst hatte.
Die spannenden Abenteuer der „Sugar Beats“, die immer auch im Spiegel der deutschen Geschichte stattfanden, hat die Jury der Kulturstiftung Havelland überzeugt. So wurden die „Sugar Beats“ bei der allerersten Vergabe des frisch aufgelegten „Kulturpreises Havelland“ mit dem 1. Preis bedacht. Dieser am 12. Februar auf Schloss Ribbeck vergebene Preis ist mit 3.000 Euro dotiert (Geld, das sich die „Sugar Beats“ allerdings mit einem zweiten Gewinner teilen müssen). Das Geld können die Musiker sicherlich gut gebrauchen, da sie selbst im hohen Rentenalter noch immer nicht die Gitarre aus der Hand gelegt haben.
Der nächste Gig steht bereits fest im Auftragsbuch der Musiker: Am 1. Juni treten sie in Kuhhorst auf. Den Ort kennt niemand? Mensch, da wohnt doch sogar die Katharina Thalbach, so hört man. Aber es gibt bereits Bestrebungen, die „Sugar Beats“ in das Foyer der Stadthalle Falkensee zu holen. Das wäre natürlich ein würdiger Auftrittsort für eine Band, die nun auch Kulturpreisträger ist und damit zum lebendigen Kulturgut des Havellandes gehört.
Junge Bands finden sich überall in Deutschland zusammen. Stündlich wird irgendwo in einem Schulkeller oder in einer Freizeiteinrichtung eine neue Band gegründet. Ebenso schnell fällt sie leider meist wieder auseinander. Dann bleiben nur noch Namen übrig, die man langsam wieder vergisst.
Im kleinen Ort Schönwalde-Grünefeld war das anders. Im Sommer 1963 finden hier fünf Jugendliche zusammen. Der jüngste ist 14 Jahre alt, der älteste 17. Hatty, Sonny, Dieter, Swatzy und Fritze heißen sie. Im Gasthof Falkenberg hören sie zum ersten Mal den Song „Memphis Tennessee“ aus einer Musiktruhe. Sie sind sofort elektrisiert von der Musik – und beschließen, das nachzuspielen. Zwei Wandergitarren werden organisiert, ein Verstärker wird gebastelt, ein Mikrofon gesucht – schon kann es losgehen. Geübt wurde damals noch auf der Kegelbahn im Gasthof. Der Name der jungen Band lautet – die „Sugar Beats“.
Die „Sugar Beats“ spielen Beat-Musik. Die Beatles stehen auf ihrem Programm, ebenso die Stones. Immer auf Englisch. Die ersten Gigs finden auf Klassentreffen statt. Dann springt die Band im Sommer 64 für eine andere Band im Kulturhaus Kremmen ein – und wird auf Jahre hinaus die Hausband des Jugendclubs. Damals erinnern die Musiker noch an die Berliner Band „The Lords“. Sie treten folgerichtig mit weißem Hemd, schwarzer Weste und Zylinder auf.
Das ändert sich aber bald. Ganz in Anlehnung an Vorbilder wie „Dave Dee“ erscheinen Hosen und Hemden der Band auf einmal grell bunt und sogar geblümt.
In dieser Zeit wird Hatty durch Nobbi ersetzt. Die neuen „Sugar Beats“, das sind nun Klaus Schilling, Norbert Wolf, Bernhard Sonnemann und Dieter Franke.
In den restriktiven DDR-Zeiten schauen sich leider auch die selbsternannten Kulturwächter das „staatszersetzende“ Wirken der Beat-Band an. Mehrfach muss die Band vor dem Rat des Kreises antreten, weil sie sich beim Spielen nicht an die staatlich vorgegebenen „Prozente“ gehalten hat – es musste ja immer zu 60 Prozent Ost-Musik gespielt werden. Beat-Musik gilt außerdem als „jugendgefährdend“. Auch der Name sorgt für Ärger. Der neu gewählte Name „Die Namenlosen“ wird allerdings gleich (und ganz korrekt) als Provokation verstanden. Der erste Auftritt unter dem neuen Namen ist dann auch für lange Zeit der letzte.
Weiter geht es für die Musiker erst unter dem Namen „Faragus“. „Fa“ steht für „Falkenberg“. Und „ragus“, das ist „sugar“, nur rückwärts geschrieben. 1969 stößt Bodo Ritschel zur Band hinzu. Trotzdem trennt sich die Band 1972 – auf dem Höhepunkt ihres Ruhms.
Nach der Wende haben die Musiker aber wieder zusammengefunden – und rocken nun als Senioren die Bühnen der Region. Ihre Nominierung für den 1. Kulturpreis Havelland haben 68 Unterstützer aus Grünefeld unterschrieben. Das ist bald ein Viertel des ganzen Ortes. (Text/Foto: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 156 (3/2019).
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