Rehkitz Gretchen in Pausin: Bärbel Eitner kümmert sich um verletzte und verstoßene Tiere!
Da hat das kleine Rehkitz Gretchen aber noch mal richtig Glück im Unglück gehabt. Kinder hatten das winzige Reh aus dem Wald mit nach Hause gebracht – in der irrigen Meinung, einem von der Mutter verstoßenen Tierkind damit das Leben zu retten. Tatsächlich lassen die Rehmütter, die Ricken genannt werden, ihren Nachwuchs aber oft stundenlang allein, um äsen zu gehen. Vor allem in Feldern liegen die Kitze dann in Kuhlen und warten darauf, dass die Mutter zurückkehrt.
Bärbel Eitner (75), ehemalige Ortsvorsteherin von Pausin und unermüdliche Organisatorin in der Waldschule Pausin, hat ein echtes Herz für Wildtiere: „Im Fall von Gretchen haben Nachbarn mitbekommen, dass die Familie nebenan ein Rehkitz in der Wohnung beherbergt – und die Polizei gerufen. Über die Wildtierhilfe kam Gretchen zu mir. Das war auch höchste Eisenbahn. Gretchen war schon ganz schwach, als sie zu mir gebracht wurde. Man kann bei der Aufzucht von Rehkitzen viel verkehrt machen. Ist die Milch nur ein wenig zu fettig, bekommt der Nachwuchs Durchfall – und ist dann kaum noch zu retten. Gretchen kam bereits auf wackligen Beinen bei mir an.“
Ende April wurde Gretchen aus der Wohnung in Brandenburg an der Havel befreit. Einen dreiviertel Monat später springt Gretchen bereits durch den Garten von Bärbel Eitner und knabbert munter die Rosensträucher an, um sich dann an der warmen, sonnenbeschienenen Hauswand einen Platz mitten im Kies zu suchen – zum Ausruhen.
Zum Glück kennt sich Bärbel Eitner mit der Aufzucht von Rehen bestens aus: „Seit 1978 mache ich das schon. Früher haben die Landwirte noch nicht so aufmerksam geguckt, ob die Ricken vielleicht Kitze im Feld abgesetzt haben. Da wurden bei der Maht im Mai viele Kitze getötet. Verletzte Kitze hat man schon damals zu mir gebracht. Und ich habe dann versucht, sie aufzuziehen. Damals hat man nach der Maht auch gleich Dung auf die Felder gestreut. Wurde der Dung über die verbleibenden Rehkitze ausgebracht, so verloren sie ihren Geruch und die Ricken haben sie nicht mehr wiedergefunden. Rehe haben nämlich einen ausgesprochen guten Geruchssinn. Auch diese Kitze wurden zu mir gebracht. Ich habe sie großgezogen und anschließend versucht, sie auszuwildern. Das ist gar nicht so einfach, denn das Reh ist ein Standorttier und geht immer wieder dahin zurück, wo es einmal aufgewachsen ist. Einmal habe ich eine Ricke ganz spät in ihrem Leben gehen lassen. Und ein paar Monate später kam sie tatsächlich wieder zurück und hat in meinem Garten zwei Rehkitze zur Welt gebracht.“
Auch bei Gretchen ist es fraglich, ob das Reh jemals auf eigenen Beinen durch den Wald staksen kann. Bei Bärbel Eitner wächst das Reh schließlich mit sehr seltsamen Weggefährten auf. Zwei Hunde und der Kater Oskar sind ebenfalls im Garten Zuhause. Ein steinalter Hahn stolziert umher. Und dann gibt es da noch eine Laufente. Und den Storch Egon, der seit elf Jahren zum Tierensemble von Bärbel Eitner gehört und sich als „ungekrönten Chef vom Ganzen“ versteht. Fliegen kann er zwar nicht, dafür aber sehr laut mit dem Schnabel klappern. Bärbel Eitner: „Der Storch kommt aus Wansdorf. Den haben die Storcheneltern aus dem Horst geworfen. Der ist ganz abgemagert bei einer Tierärztin gelandet. Sie hat mich damals angerufen: ‚Mensch, Bärbel, willst du es mal mit dem Storch versuchen? Viel los ist mit dem aber nicht mehr.'“ Die Tierfreundin hat es trotzdem geschafft und nun behält der Storch alles im Auge, was in seinem Garten passiert.
Bärbel Eitner: „Ach, was habe ich in den letzten Jahren schon alles an Tieren hochgepäppelt und großgezogen. Es spricht sich eben herum, dass ich mich um die Tiere kümmere.“
Und es gibt ja auch immer so viele Geschichten zu erzählen. Etwa von den fünf Steinmarderbabies, die so gestunken haben, dass sie jeden Morgen gebadet werden mussten. Von der Wildgans Sternchen. Von Eichhörnchen, Käuzen, Hasen und Kolkraben. Und zuletzt vom Wildschweinfrischling Walter, der in eine Grube gefallen war und von der Wildtierrettung befreit werden musste. Bärbel Eitner: „Das Tier hat uns so viel Freude gemacht, alle haben Walter geliebt. Wir mussten uns aber trotzdem rasch von ihm trennen. Bei den Tiermännchen ist es ganz oft so, dass man sie nicht auf Dauer halten kann. Wenn die Hormone einsetzen, werden sie gefährlich. Walter wurde aufgepäppelt und kam dann in die Schorfheide, wo ein ganz normales Wildschweinleben auf ihn wartet.“
Was wohl mit Gretchen einmal passieren wird? Nun, läuft man durch das verwinkelte Grundstück von Bärbel Eitner nach hinten – am großen Gartenteich voller Frösche und am Hühnerstall vorbei -, so stößt der Besucher auf ein 2.000 Quadratmeter großes Gehege, in dem bereits vier Rehe ein Zuhause gefunden haben.
Bärbel Eitner: „Die Rehe sehen zurzeit ganz gerupft aus, weil sie ihr graues Winterfell verlieren und darunter das rehtypisch braune Sommerkleid zum Vorschein kommt. Ich denke, dass es am Ende nicht möglich sein wird, Gretchen auszuwildern. Dann wird sie ihr Leben bei uns im Gehege bestreiten. Es würde mir sehr Leid tun, wenn ich sie in die Freiheit entlasse und sie dem Jäger vor die Flinte läuft.“
Die Tierfreundin, die alle Ausgaben für ihre Tiere aus eigener Kasse bestreitet, appelliert an die Menschen: „Bei vielen Tierkindern, die allein im Wald angetroffen werden, ist das mitunter ganz normal. Sinnvoll ist es im Zweifelsfall immer, nicht selbst einzugreifen, sondern sich den genauen Standort zu merken und die Wildtierhilfe zu informieren.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 171 (6/2020).
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