Kurioses aus Falkensee: Aus einem Frühstücksei wird Henriette, der Hahn!
Der junge Hahn springt auf den Tisch auf der Gartenterrasse, pickt hier und da nach ein paar Kuchenkrümeln und würde am liebsten auch noch seinen Kopf neugierig in den dampfenden Kaffeebecher stecken. Henriette heißt der hübsche Hahn, der in Falkensee mitten in einer kleinen Wohnung an der Lake unweit der Geschwister-Scholl-Grundschule seine Eierschale verlassen und auf diese Weise das Licht der Welt erblickt hat.
Dumm gelaufen: Henriette sollte ein Huhn werden und Eier für die Familie legen. Noch schlimmer. Eigentlich sollte Henriette als Frühstücksei enden.
Sabine Nickel (44): “Meine Cousine lebt auf dem Auenhof in Buchow-Karpzow. Mit ihrem Mann baut sie den ganzen Hof neu auf – und da gehören auch viele Tiere mit dazu, darunter auch Hühner. Sie hat uns ein frisches Ei mitgegeben und gesagt: Das könnt ihr gern aufessen. Und im Spaß hat sie gesagt: Oder ihr versucht, es auszubrüten.”
Auf dem Heimweg reift in Familie Nickel der Gedanke, dass man das mit dem Ausbrüten ja durchaus einmal versuchen könne. Als eine Art privates “Jugend forscht” Projekt. Und sollte es gelingen, tatsächlich ein Hühnchen aus dem Ei zu pellen, dann könnte man es ja später wieder auf den Auenhof zurückbringen.
Sabine Nickel: “Wir haben das Ei auf dem ganzen Rückweg sorgsam warm gehalten. Zuhause haben wir gleich bei Amazon nach einer passende Warmhalteplatte gesucht. Hier war eine schnelle Lieferung aber leider nicht möglich. Um die Zeit zu überbrücken, haben wir das Ei erst einmal wieder zum Auenhof zurückgebracht.”
Thomas Maron (50): “Unser Sohn Nico hat ein Gesicht auf das Ei gemalt. Wir haben es auf dem Auenhof einer Henne untergeschoben. Eine knappe Woche hat es gedauert, dann war die Heizplatte da und wir konnten das Ei wieder abholen.”
Sabine Nickel: “Wir haben oft gedacht: Klappt das mit dem Ausbrüten wirklich? Schafft man das? Sicherlich haben wir alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Man fängt ja irgendwann an, nach Informationen zu googeln. Online stand, dass das Ei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit braucht. Das hatten wir ja gar nicht. Dann haben wir festgestellt, dass das Ei ganz kalt war. Wir waren entmutigt und haben gesagt, wenn sich bis zu einem bestimmten Tag nichts tut, dann geben wir auf. Online haben wir aber auch gelesen, dass das Huhn bereits im Ei piepsen kann. Und tatsächlich haben wir irgendwann ein ganz leises Piepsen gehört. Da war von der Schale aber bereits eine Ecke abgesprungen.”
Am 14. August war es endlich so weit: Das Huhn Henriette wollte aus dem Ei. Um 13 Uhr ging es los mit der Vogel-Geburt. Sie zog sich aber in die Länge. Nico Nickel (15), der schon einmal eine kleine Feldmaus aufgezogen hat: “Um drei Uhr nachts bin ich wach geworden, da war Henriette schon komplett aus dem Ei geschlüpft und fing bereits an zu picken.”
Sabine Nickel, die aus Staaken stammt und mit ihrer kleinen Familie seit 20 Jahren in Falkensee lebt: “Beim ersten Wiegen hatte der kleine Vogel 26,3 Gramm. Wir haben Kükenfutter bestellt und es im Thermomix ganz klein geschreddert. So gesehen war Henriette bei der Aufzucht ganz einfach zu handhaben. Wir haben ihr Wasser hingestellt und ein Schälchen mit dem Kükenfutter. Das Fressen hat sie ganz allein hinbekommen, nur beim Trinken mussten wir anfangs helfen. Auch mit dem Schlafen war es mit Henriette ganz einfach. Sie kam abends in ihre Kiste und bis es dann wieder hell wurde, schlief sie ohne Probleme. Huhn und Nico schliefen am Wochenende gern einmal zusammen bis halb zehn Uhr durch.”
Henriette ist absolut handzahm, hüpft gern auf die Schulter ihrer Menschen, macht es sich aber auch auf dem Schoß gemütlich und schläft dann beim Federkraulen ein. Nico war lange die Hauptbezugsperson. Sabine Nickel: “Unser Sohn wollte immer gern ein Haustier haben. Aber wir haben nur einen kleinen Garten – auf Dauer konnte Henriette nicht bei uns bleiben.”
Und so wurde der ursprüngliche Plan aufgegriffen, Henriette wieder zum Auenhof zurückzubringen. Doch die anderen Hühner gingen sogleich auf den Neuankömmling los und griffen ihn an. Sabine Nickel: “Das haben wir uns leichter vorgestellt. Beim direkten Vergleich der Wyandotten-Hühner haben wir auch realisiert, dass wir gar kein Huhn aufgezogen haben, sondern einen Hahn. Henriette ist also eigentlich ein Henry. Wir konnten uns an den neuen Namen aber nicht so recht gewöhnen. So bleibt Henry zumindest für uns weiterhin eine Henriette.”
Was tun mit Henriette? Thomas Maron, der ursprünglich aus Pankow kommt: “Wir haben dann im Garten ein großes Gehege für Henriette aufgebaut. Ich hatte ja die Hoffnung, dass Henriette den ganzen Klee aus dem Rasen pickt, das hat aber nicht geklappt. Dafür kommen alle Nachbarskinder bei uns vorbei, um sich das zahme Huhn anzuschauen. Abends kam Henriette weiterhin in ihre Schlafbox, denn bei uns sind nachts durchaus Füchse und Marder unterwegs. Wir wollten ja nicht, dass Henriette etwas zustößt. Es ist sowieso schon schlimm genug, was Henriette mit unseren Köpfen anstellt. Wir können ohne schlechtes Gewissen kein Frühstücksei mehr essen. Und Chicken-Nuggets bekommen wir auch nicht mehr herunter.”
Die Zeit drängte aber. Henriette wurde immer größer und aktiver. Die warme Jahreszeit neigte sich ihrem Ende entgegen und das Gehege im Garten hatte ja nicht einmal ein Dach. Der junge Hahn würde bestimmt auch bald mit dem Krähen anfangen. Schon im jungen Alter “übte” er und stieß krächzende Laute aus. Sabine Nickel: “Das hörte sich an wie ein Teenager im Stimmbruch.”
Das häusliche Umfeld sprach klar gegen Henriette. Ein neues Zuhause musste gefunden werden. Sabine Nickel: “Es war eine tolle Erfahrung für die ganze Familie, ein Ei auszubrüten und Henriette aufwachsen zu sehen. Wir waren sicherlich blauäugig und haben vieles nicht richtig gemacht. Aber Henriette ist ein echter Prachthahn geworden, menschenzugewandt, nicht scheu und sehr lieb im Charakter. Wir hoffen auf ein artgerechtes Zuhause, so dass wir wissen, dass es dem Hahn gut geht und er ein schönes Leben vor sich hat. Schön wäre es, wenn das nicht allzu weit weg wäre, sodass wir Henriette besuchen können und weiterhin ein Teil von seinem Leben sein können.”
Über einen Facebook-Aufruf auf der FALKENSEE.aktuell-Seite hat sich tatsächlich eine zukünftige Besitzerin im Ort Liebenberg gefunden. Am 4. Oktober wurde Henriette mit einem weinenden Herzen ins Auto verfrachtet und in sein neues Zuhause gebracht. Sabine Nickel: “Hier geht es dem jungen Hahn sehr gut. Wir haben ihn auch schon besucht.” (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 176 (11/2020).
Seitenabrufe seit 1.12.2021:
Kennen Sie schon unsere Gratis-App?
Apple – https://unserhavelland.de/appapple
Android – https://unserhavelland.de/appandroid
Anzeige