Mehr Windenergie: Windräder im Windpark Wernitz sollen in die Höhe wachsen!
13 Windenergieanlagen gehören zum Windpark Wernitz. Sie sollen so schnell wie möglich gegen weniger, dafür aber höhere Anlagen ersetzt werden, die bis zu 250 Meter hoch aufragen. Der Grund: Die beim Repowering neu aufgestellten „Windräder“ könnten viel mehr Strom deutlich effizienter erzeugen. Dank einer freiwilligen Umlage könnte die Gemeinde Wustermark davon sogar profitieren.
Auf der Nauener Platte stehen sie dicht an dicht: Die hier aufgestellten Windenergieanlagen generieren theoretisch bereits ausreichend Energie, um das gesamte Havelland mit Strom zu versorgen – wenn nur ausreichend Wind weht. So gesehen ist der Landstrich bereits absolut vorbildlich, wenn es um die Stromgewinnung mit nachhaltigen Energiequellen geht.
In der Bevölkerung stehen die hoch aufragenden „Windräder“ mit ihren drei gewaltigen Flügeln immer wieder im Zentrum der Diskussion. Die eine Seite argumentiert, dass die Windräder die Landschaft verschandeln. Die andere Seite freut sich, dass keine rußende Kohle mehr verbrannt werden muss, um neue Energie zu erzeugen.
Am 22. und am 23. Oktober hatten die Havelländer einmal selbst die Gelegenheit dazu, sich schlau zu machen und aus erster Hand zu informieren. Die Windpark Wernitz Betreiber-Pool GbR schloss gleich für zwei Tage die Windenergieanlage Nr. 20591 im Windpark Wernitz (gehört zu Wustermark) auf – und erlaubte es den Bürgern, einen Blick in das Innere einer Windenergieanlage zu werfen. Dabei konnten gleich unzählige Fragen beantwortet werden.
Rosemarie Rübsamen ist eine von drei Geschäftsführern der Windpark Wernitz Betreiber Pool-GbR: „In unserem Windpark Wernitz mit den Genehmigungsstufen 1 und 2 stehen inzwischen 13 Windenergieanlagen. Für sie sind verschiedene Betreiber verantwortlich. Wir alle haben deswegen zusammen eine Betreibergesellschaft gegründet. Seit 2003 speist unser Windpark Wernitz Strom ins öffentliche Netz ein. In diesen Jahren haben wir inzwischen 600 Millionen kWh Strom erzeugt. Die Gemeinde Wustermark war übrigens eine der ersten Gemeinden im gesamten Havelland, die nach der Reform des Baurechts 1998 einen eigenen Flächennutzungsplan für Windenergie aufgelegt hat – genau für die Fläche, auf der sich heute der Windpark Wernitz befindet.“
Auf der Windpark-Fläche direkt an der Landesstraße L863 gibt es unterschiedlich hohe Windräder – mit 78 und mit 100 Metern Nabenhöhe. Die höheren Windräder tragen eine rote Bauchbinde am Turm und können so bereits aus einiger Entfernung passend eingeschätzt werden.
Sebastian Kelm von der Gemeinde Wustermark: „600 Millionen kWh Strom – das ist ein Wert, den man schlecht einordnen kann. Einen besseren Eindruck von der Leistungsstärke des Windparks bekommt man, wenn man weiß, dass eine Anlage nur zwei Stunden benötigt, um den Strom zu erwirtschaften, den ein Haushalt in einem ganzen Jahr verbraucht.“
Am 22. Oktober war der Himmel fast schwarz zugezogen, der Wind wehte kräftig und es nieselte. Für Rosemarie Rübsamen war es das eigentlich perfekte Wetter, denn die Windenergieanlage waren so im vollen Betrieb und generierten fleißig Strom: „Das ist vor Ort leider nicht immer so. Als wir den Windpark gebaut haben, haben wir mit 20 Prozent mehr Wind gerechnet. Diese Fehleinschätzung sorgt natürlich auch für einen reduzierten Umsatz. Das führte damals sogar zu Problemen mit den Kredit gebenden Banken. Ich befürchte, dass der Klimawandel dafür sorgt, dass der Wind auf der Nauener Platte eher weiter abnimmt.“
Repowering wünschenswert: Mehr Höhe, mehr Effizienz
Die Anlagen, die heute im Windpark Wernitz 1 und 2 wirbeln, sind eigentlich schon längst wieder veraltert. Sie sind nicht effizient genug. Inzwischen sagt man: Je höher die Windenergieanlagen sind, umso besser ist das. Moderne Anlagen erreichen inzwischen Höhen von bis zu 250 Metern. Im direkten Vergleich wirken die Wernitzer Modelle da natürlich wie kleine Zwerge.
Rosemarie Rübsamen: „Bei uns erlischt die Festpreisgarantie im Jahr 2023. Zurzeit erhalten wir fest zugesichert acht Cent pro Kilowattstunde. Sobald die Garantie erlischt, müssen wir selbst sehen, welchen Preis wir auf dem offenen Strommarkt erzielen können. Bei vier Cent pro Kilowattstunde wird es bei uns aber schon eng mit der Rentabilität. Schon aus diesem Grund würden wir gern ein Repowering durchführen – also unsere niedrigen gegen deutlich höhere Windenergieanlagen ersetzen.“
Sven Thelen, ebenfalls Geschäftsführer in der Betreibergesellschaft: „Zurzeit gilt noch eine Gesamthöhengrenze, die bei 150 Metern bis zur höchsten Flügelspitze erreicht ist. Das ist aber inzwischen nicht mehr wirtschaftlich. 250 Meter Gesamthöhe sind vonnöten, alles darunter ergibt keinen Sinn mehr. Wir würden über das Repowering gern sechs neue Anlagen mit 250 Metern Höhe auf unserem Windpark Wernitz aufstellen. Für die Gemeinde kann sich das durchaus lohnen. Um Windparks für die Gemeinden attraktiver zu machen, hat die Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, dass die Betreiber der Windparks den für sie zuständigen Gemeinden auf freiwilliger Basis 0,2 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Eine große 250 Meter hohe Anlage erzeigt 18 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. Bei 0,2 Cent sind das 36.000 Euro pro Anlage und Jahr. Bei uns wären Wustermark, Nauen und Ketzin betroffen. Allein für Wustermark wären so Mehreinnahmen von 100.000 Euro im Jahr möglich, die nicht zweckgebunden in den Stadtetat einfließen.“
Bei einer solchen Umbaumassnahme müssten die alten, niedrigen Anlagen freilich verschrottet werden. Rosemarie Rübsamen: „Die Flügel werden geschreddert und in der Zementproduktion verwendet. Die Türme aus Stahl und Kupfer werden vor Ort zerlegt und recycelt. Das Fundament wird gesprengt und kommt dem Straßenbau zugute.“
Eine neue 250 Meter hohe Windenergieanlage kostet im Bau etwa sechs Millionen Euro. Nimmt man das Fundament und die Infrastruktur inklusive Kabel, Zuwegungen und Umspannnetz hinzu, ist man bereits bei acht bis zehn Millionen Euro. Sven Thelen: „Baut man mehrere Anlagen auf einmal, so gibt es natürlich Synergieeffekte.“
Neuauflage des Regionalplans Havelland-Fläming: Repowering möglich?
Nun ist es so, dass noch im November der Regionalplan Havelland-Fläming (https://havelland-flaeming.de) neu aufgelegt wird. Der Regionalplan betrifft die Landkreise Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming sowie die kreisfreien Städte Potsdam und Brandenburg an der Havel. Auf der Homepage heißt es: „Zentrales Anliegen ist es, auf Grundlage unseres regionalen Energiekonzeptes Projekte zu begleiten, Wissenstransfer zu ermöglichen und regionale Akteure zu unterstützen.“
Sven Thelen: „In diesem Regionalplan wird ein Repowering-Gebiet ausgewiesen, das hier bei uns auf der Fläche vom Windpark Wernitz liegt. Das würde unsere Absichten natürlich sehr beflügeln. Allerdings haben alle Betroffenen die Möglichkeit, Einwände gegen den Regionalplan einzureichen. So auch die Gemeinde Wustermark. Dort wird nun ein Workshop zum Thema veranstaltet.“
Alexis Schwartz ist der Klimaschutzmanager der Gemeinde Wustermark: „Im Regionalplan werden aber auch neue Flächen für Windenergieanlagen bei Buchow-Karpzow ausgewiesen. In unserem Gemeindegebiet ist es eigentlich noch ganz ruhig, es gibt keine lauten Gegenstimmen. Wenn jemand etwas gegen die Windanlagen sagt, geht es in der Regel um Lärmemissionen.“
Gibt es keine Diskussionen aufgrund toter Vögel unter den Windrädern? Alexis Schwartz: „Von Vogelschlag habe ich in unserer Region noch nichts gehört. Aber man muss das immer auch in Relation setzen. Wie viele tote Tiere liegen am Rand der Straße: Möchte man deswegen das Autofahren verbieten? Und – was ist unsere Alternative zur Windenergie? Möchten wir weiterhin ganze Landstriche vernichten und unbewohnbar machen, um Uran oder Kohle zu gewinnen?“
Sven Thelen: „Windenergie war einmal richtig teuer. Inzwischen produzieren wir den Strom sehr günstig. Man muss ganz klar sagen, dass die erneuerbaren Energien seit zwei, drei Jahren einfach die günstigsten Energieformen sind. Mit Kernkraft oder Kohle lässt sich der Strom nicht so preiswert erzeugen. Wenn die Regierung es ernst meint mit der Förderung der erneuerbaren Energien und mit dem Wunsch, zwei Prozent der Fläche von Deutschland für die Windkraft zu nutzen, dann muss sich im ganzen Prozeß etwas ändern. Noch wird viel zu viel von oben bestimmt. Die Gemeinden sollten selbst festlegen können, ob sie einen Windpark haben möchten oder nicht.“
Was ist, wenn es nicht zu einem Repowering kommt?
Für die Windpark Wernitz Betreiber-Pool GbR tickt die Uhr. Für sie fällt nicht nur die Preisgarantie für die Abnahme ihres Stroms. Auch die Lebensdauer der aufgestellten Windenergieanlagen ist endlich.
Rosemarie Rübsamen: „Alle zwei Jahre muss ein Gutachter feststellen, ob die Standsicherheit noch vorhanden ist. Natürlich plant man hier mit viel Puffer. So kann eine Anlage selbst nach 25 oder 30 Jahren noch ohne Beanstandung laufen. Es kann aber auch sein, dass eine besonders starke Böe die Anlage belastet hat. Im Zweifelsfall muss man dann eben abreißen.“
Da ist es natürlich umso spannender, einmal in eine bestehende Anlage hineinzuschauen. So gibt es im Fuß des Turms sehr viel Technik. Auf einem Display lässt sich jederzeit ablesen, wie stark der Wind gerade weht und wie viel Strom erzeugt wird. Eine Leiter mit Fallschutzgurt steht bereit, damit Mitarbeiter zwecks Wartung den bis zu 90 Meter hohen Turm ersteigen können. Eine Überraschung: Wer selbst nicht kraxeln möchte, nimmt einfach den Aufzug.
Florian Büscher von der Reservice GmbH, die sich vor Ort um die technische Betriebsführung kümmert: „Die Anlage richtet ihre Flügel selbstständig im Wind aus. Bei Sturm schaltet sich die Anlage von selbst aus, wenn die Windgeschwindigkeit im 10-Minuten-Mittel bei 25 Metern pro Sekunde liegt. Oder wenn es Spitzenböen mit bis zu 30 Metern pro Sekunde gibt.“
Immer wieder wird in der Bevölkerung auch gemunkelt, dass sich einzelne Windräder nicht drehen, weil das Stromnetz „gerade voll“ ist. Dazu weiß Rosemarie Rübsamen interessante Fakten zu erzählen: „Einzelne Windräder werden eigentlich nur abgeschaltet, wenn sie gerade gewartet werden. Ansonsten werden immer ganze Stränge oder komplette Windparks abgestellt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Strompreis negativ ist. Das hatten wir aber nur einmal im letzten Jahr, als wegen Corona weniger Strom verbraucht wurde. Oder es wird abgeschaltet, wenn das Netz überlastet ist. Auch das ist sehr selten, wir sprechen hier von zwei bis drei Fällen im Jahr. Das trifft meist die Weihnachtsnacht, weil es dann oft sehr windig ist, die Industrie stillsteht und die Menschen früh schlafen gehen und so keinen Strom mehr verbrauchen.“
Übrigens: Sollte es vor Ort zu einem Repowering mit neuen und noch höheren Windrädern kommen, gehören die in der Nacht rot blinkenden „Vampiraugen“ der Vergangenheit an. Rosemarie Rübsamen: „Die neuen Modelle haben eine bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung. Hier werden die Markierungslichter nur noch dann eingeschaltet, wenn sich tatsächlich ein Flugobjekt nähert.“ (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 189 (12/2021).
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